Ship Cove - St. Arnaud
250 km
Tag 1
5. Januar 2023
6 km
Die Anreise zum Beginn des Te Araroa (TA) auf der Südinsel war für mich etwas länger. Es ging früh mit dem Bus von Christchurch nach Picton, dort musste ich innerhalb von ein paar Minuten auf die Fähre umsteigen. Diese brachte mich nach Ship Cove, dem offiziellen Startpunkt des TA. Zusätzlich gab es sogar noch eine sehr interessante Besichtigung der hiesigen Tiere. Dabei waren viele verschiedene Wasservögel, Delfine und Seelöwen zu sehen. Wir fuhren also recht langsam durch den Queen Charlotte Sound und hielten auch einige Male an. Wer sich jetzt fragt was denn "Sounds" seien, wird wahrscheinlich mit dem Begriff Fjord eher glücklich werden. Es gibt zwar geologische Unterschiede, die sind aber für uns Laien unwichtig, denn eins tun sie beide, genial aussehen. Schlussendlich gelangte ich doch noch ca. 16 Uhr nach Ship Cove. Dort machte ich auch schon die erste Erfahrung mit den Weka, einer nicht-fliegenden Vogelart. Dafür sind sie umso neugieriger, was sich denn so in den Rucksäcken der Wanderer finden lässt. Wenn man dann noch etwas unberücksichtigt herumliegen lässt, kann es gut sein, dass man den Vogel damit wegrennen sieht. Das Vergnügen, diesen Gegenstand dann wiederzufinden, hatte ich zum Glück nicht. Dafür hatte ich ein echtes Vergnügen, denn ich lernte bereits auf der Bootsfahrt zwei junge Schweizer kennen, welche noch zu richtigen Weggefährten werden sollten. Für mich ging es heute nur noch kurz über den ersten Hügel zur nächsten Bucht mit Namen "Schoolhouse Bay". Dort baute ich schnell mein Zelt auf, denn es begann auch schon zu regnen.
TAg 2
6. Januar 2023
29 km
Der Morgen begann, wie schon der gestrige Abend aufgehört hatte - mit Regen. Aber auch die ganze Nacht hatte es durchgängig geregnet. Nun kann man sich ungefähr die Beschaffenheit der Wege vorstellen, nämlich ziemlich schlammig und damit auch relativ langsam. Dennoch kam ich gut voran, konnte jedoch kaum die erwarteten schönen Ausblicke auf den Queen Charlotte Sound genießen, denn es war meist sehr neblig. Gegen Abend ließ sich dann aber doch die Landschaft in voller Schönheit blicken. Ich zeltete an einem Platz mit toller Aussicht und so ging es in die nächste regnerische Nacht.
Tag 3
7. Januar 2023
31 km
Auch dieser Tag fröhnte ganz dem schlechten Wetter, zumindest bis zum Mittag. Für mich ging es immer entlang eines Kammweges, welcher Blicke auf den westlichen Kenepuru Sound und den östlichen Queen Charlotte Sound zuließ. Durch den weiteren Regen war das Vorankommen weiter erschwert worden. Zusätzlich sah ich auch die Auswirkungen, wenn es noch mehr Regen in dieser Region gibt. Der Weg führt nämlich an vielen Stellen vorbei, wo erst vor Kurzem ein Erdrutsch stattgefunden hat. Glücklich, dass kein solcher heute passierte, kam ich am Zeltplatz "Davies Bay" an und stellte mein Zelt auf. Gerne würde ich sagen, dass ich nun ruhig schlafen und Kraft für den kommenden Tag schöpfen könnte. Dem war aber leider nicht so. Es zog ein Sturm auf und ich hatte das Zelt bzw. die Heringe nicht gut gesichert. Es kam also wie es kommen musste, ca. 1 Uhr zog es mehrere Heringe aus dem Boden und ich lag auf einmal im Freien. Da ich keine Lust darauf hatte, dass dies noch mehrmals passiert, baute ich alles wieder ab und suchte Schutz unter einem kleinen Dachvorsprung bei der Toilette… es könnte schöner sein, aber auch das ist die Realität eines "Outdoor-Lebens".
Tag 4
8. Januar 2023
22 km
Auch zum Outdoor-Leben und in besonderer Weise zum Te Araroa gehört das Roadwalking. Das heißt der Weg verläuft manchmal kilometerlang auf bzw. neben Straßen. Vor allem auf der Nordinsel ist das auf relativ vielen Abschnitten der Fall. Aber auch hier auf der Südinsel bleibt es nicht aus. Der Hauptgrund dafür liegt bei der Entstehung des Weges, denn eigentlich ist es gar kein wirklich zusammenhängender Trail, sondern lediglich der Versuch mit bereits bestehenden Wanderwegen Neuseeland der Länge nach zu durchqueren. Damit das funktioniert braucht es aber immer wieder Verbindungsstücke und diese bilden meistens Straßen. Es geht also für mich nach den letzten 3 km auf dem Queen Charlotte Track auf den "Link Pathway". Jener verbindet Anakiwa und Havelock miteinander. Manchmal als Trampelpfad neben der Straße, manchmal auf der Straße und am Ende sogar als richtiger Wanderweg in den Hügeln vor Havelock. Entsprechend unspannend verlief der Tag und ich kam relativ zeitnah in Havelock an und genoß einen Burger und das Einkaufen frischer Lebensmittel, welche ich die nächsten Wochen wahrscheinlich nicht zu Gesicht bekomme. Eine erfreuliche Begegnung gab es dann doch noch. Ich traf gleich am Anfang ein junges deutsches Paar, welche Birnen von einem Baum pflückten. Ich bediente mich ebenfalls und wir kamen ins Gespräch. Eine gute Abwechslung zu der Zeit alleine.
Tag 5
9. Januar 2023
22 km
Auch heute ging es am Anfang wieder entlang der Straße. Diesmal allerdings am Highway, auf dem auch LKW mit rund 80 km/h entlang fuhren. Diese 3 km waren eine besondere Erfahrung, die ich allerdings nicht unbedingt wieder brauche :)
Die nächsten 10 km folgte ich einer Schotterstraße. Anschließend ging es auf verschiedenen Feldern und Weiden entlang durch stereotypische neuseeländische Farmen. Vorbei an Kühen und Mais bahnte ich mir über Zäune hinweg den Weg zur Pelorus Bridge. Das ist ein großer Campingplatz mit Anbindung an den Pelorus River. Vorteil: Bademöglichkeit, Nachteil: viele Sandfliegen. Da half nur eins, sich schnell im Zelt zu verkriechen.
Tag 6
10. Januar 2023
17 km
Die Kilometer lassen erstmal nichts Ungewöhnliches vermuten, allerdings trügt dieser Schein. Denn an diesem Tag fuhr ich früh per Anhalter nach Nelson, der nächsten größeren Stadt. Nach wenigen Minuten des Wartens nahmen mich zwei nette Neuseeländer mit auf die rund 50 minütige Autofahrt. In der Stadt angekommen war die große Aufgabe für die nächsten ca. 22 Tage einzukaufen. Natürlich kann ich nicht für eine so lange Zeit Essen im Rucksack mit herumtragen. Viel mehr habe ich für 6 Tage Essen in meinen Rucksack verstaut und den Rest in Pakete gepackt. Diese brachte ich dann zur Post und sandte sie zu den nächsten Örtchen auf dem Weg. Diese Orte sind allerdings so klein, dass es keinen oder nur sehr sehr teure Einkaufsmöglichkeiten gibt. Entsprechend umging ich diesen teuren Spaß mit dieser Aktion. Hoffentlich kommen die Pakete auch an…
Danach gab es noch ein gutes Mittagessen beim Türken und ein Eis, bevor es per Anhalter zurück nach Pelorus Bridge ging. Dort kam ich bereits 16 Uhr wieder an und wollte doch schon mit dem nächsten Wegabschnitt beginnen. Dieser ist allgemein bekannt als die Richmond Ranges und er zählt wohl zu den herausforderndsten aber auch schönsten Teilen des gesamten TA. Der Beginn verlief jedoch unspektakulär 14 km lang auf Schotterstraßen. Immerhin ging es dadurch schnell voran. Danach kamen die ersten 3 km eines Trampelpfades, welchem ich auch die nächsten Tage folgen sollte. Ich kam ca. halb 7 an den Emerald Pools an. Diese sind poolartige Bereiche im Pelorus River und entsprechend froh war ich, dass ich mich dort waschen konnte. Danach ging es aber auch gleich ins Zelt, denn auch hier waren die Sandfliegen zu Tausenden unterwegs.
Tag 7
11. Januar 2023
14 km
Nach einer ruhigen Nacht ging der noch sehr schöne Trampelpfad entlang des Pelorus River. Zumeist ging es dennoch ordentlich auf und ab, da der Weg jeden möglichen Hügel entlang des Flusses mitnahm. So ging es den ganzen Tag wortwörtlich über Stock und Stein. Naja immerhin besser, als im Fluss zu laufen. Dazu sollte es auch erst zu einem späteren Zeitpunkt kommen. Jedoch durfte ich an diesem Tag meine erste Bekanntschaft mit den neuseeländische Brückenkonstruktionen im Backcountry („Hinterland“) machen. Wenn man Glück hat, bestehen diese aus drei parallelen Stahlseilen mit Verbindungsstreben als Lauffläche und zwei Seilen als Handlauf. Wenn nicht, dann kann es auch mal nur ein Seil für die Füße sein. So überquerte ich mehr oder weniger elegant mehrmals den Fluss und gewöhnte mich schnell an die neue Herausforderung. Nach 10 Kilometern verließ der Weg den Fluss und es ging ca. 700 Höhenmeter steil bergauf zu meiner heutigen Übernachtungsmöglichkeit, der Rocks Hut. Das ist somit auch die erste Hütte von den berühmten Backcountry Huts in Neuseeland. Diese sind ganz verschiedener Bauart und Ausstattung, aber sie bieten dem Wanderer in jedem Fall Schutz vor Wind und Wetter. In dem man einen Hüttenpass kauft, darf man fast alle öffentlichen Hütten in Neuseeland benutzen. Damit finanziert man auch teilweise deren Wartung und Instandhaltung. Ein wirklich geniales Konzept. So hatte die heutige Hütte einen großen Gemeinschaftsbereich mit Ofen, mehrere Liegeflächen mit Schaumstoffmatratzen, sowie Wassertanks und sogar Toiletten mit Spülung. Später sollte ich schnell merken, dass dies eher die Luxus-Variante ist und nicht der Standard, aber das wäre auch zu viel verlangt. Zum Abschluss des Tages ging ich auf den nächstgelegenen Berg, von welchem man bis nach Nelson und zum Ozean schauen konnte. Den Abend verbrachte ich dann gemeinsam mit den anderen Te Araroa-Wanderern am warmen Ofen. Darunter waren die Schweizer vom ersten Tag und auch eine deutsche Familie, zu der auch das Pärchen gehörte, welche ich ein paar Tage zuvor am Birnenbaum getroffen hatte.
Tag 8
12. Januar 2023
20 km
Nach einer erholsamen Nacht in der luxuriösen Rocks Hut ging es 9 km immer auf ca. 1000 Metern dem Bergkamm entlang. Der Weg bot somit auch viele wunderschöne Aussichten, sowohl auf bereits Bewältigtes, aber auch auf das viel längere noch Kommende. Ich genoss also das schöne Wetter in der Höhe bis zum Totara Sattel als der Abstieg entlang des Browning Streams begann. Bis zur nächsten Hütte ging es ca. 600 Höhenmeter bergab. Dort angekommen gab es nochmal eine stärkende Mahlzeit, denn der nächste Abschnitt zu meinem Ziel, der Starveall Hut, hatte es nochmal in sich. Innerhalb von 6 km ging es 900 Höhenmeter bergauf. Oben angekommen war mein Körper durch die Anstrengung so warm geworden und die umgebende Luft so kalt, dass ich eine Dampfwolke hinter mir herzog. Bisher kannte ich das nur vom Ausatmen der Luft im Winter. Auch traf ich altbekannte Gesichter an der Hütte wieder. Neben der Freude darüber, kam auch bald die Erkenntnis über den Mangel an Schlafplätzen innerhalb der Hütte für diese Nacht. So hatten wir in der letzten Hütte alle Platz gefunden bei 16 verfügbaren Betten, die heutige Unterkunft bot allerdings nur 6 davon. Ich hatte aber Glück und einige andere hatten bereits ihr Zelt daneben aufgeschlagen und ein Bett war noch für mich übrig. Ein wahrer Segen nach so einem Anstrengenden Tag nicht noch alles selbst aufbauen zu müssen.
Tag 9
13. Januar 2023
18 km
Es folgt der wohl härteste Tag in meinem bisherigen (Wander-) Leben. Es deutete sich bereits am Morgen an, dass man heute nicht so schöne Aussichten bewundern könnte wie gestern, alle Berge waren nebelverhangen und ließen nur wenig von ihrer Schönheit blicken. Trotzdem ging ich frohen Mutes los und überschritt das erste Mal die 1500 Höhenmeter-Marke. Über die Berge "Mount Starveall", "Slaty Peak" und "Old Man" blieb man auch immer annähernd auf der erreichten Höhe. Zum Mittagessen auf dem letztgenannten Berg zog sogar der Himmel auf und man bekam einen Blick auf die bewaldeten Berge der Umgebung. Auf den Bildern kommt es gar nicht so herüber, aber man muss sagen, es ist einfach viel grüneres Grün als Zuhause. Diesen schönen Moment teilte ich mit meinen Weggefährten aus der französischen Schweiz und einem Teil der deutschen Familie. Was ein Privileg so etwas gemeinsam erleben zu dürfen. Soweit so schön, denn erst jetzt ging der schwierige Teil los. Als Erstes stand der Aufstieg auf den "Little Mount Rintoul" an. Dieser Weg führte ein schwer begehbares Geröllfeld hinauf. Aber Hinaufgehen ist in solchem Gelände immer einfacher. Auf der anderen Seite hingegen ging es auf losem Geröll wieder herunter. Jeder Schritt führte zu einer kleinen Rutschpartie den Hang hinunter, bis der Fuß wieder Halt gefunden hatte. Man könnte zwar meinen, so sei man schneller wieder unten, aber diese Prozedur forderte meine gesamte verbliebene Aufmerksamkeit und Kraft, sparte also keineswegs Zeit. Hinzu kamen noch gelegentlich Kletterabschnitte und die Suche nach den Markierungen, da die Sichtweite mittlerweile unter 10 Metern lag. Als der Abstieg geschafft war, kam wieder der entspanntere Teil des Aufstiegs auf den "Mount Rintoul", mit 1730 m auch der bisher höchste Punkt der Wanderung. Über große Felsblöcke erklomm ich den Berg, wurde aber leider nicht mit einer Aussicht belohnt. Hingegen musste ich meine letzten Kräfte sammeln und mich auf den Abstieg zur nächsten Hütte vorbereiten. Dieser war, wie schon zuvor, nur über ein großes rutschiges Geröllfeld möglich. Mit letzten Kräften kam ich am Tagesziel an und baute mein Zelt auf, aß etwas und schlief sofort ein. An diesem Tag wurde mir das erste Mal richtig bewusst, dass das Wandern im Hochgebirge in Verbindung mit der Abgeschiedenheit von Neuseelands Wildnis vielleicht mehr Gefahren bietet, als es mir lieb ist und ich mehr Angst hatte, als ich mir gewünscht hätte. Am Endes des Tages kann ich einfach nur Gott danken, dass ich diese Aktion heil überstanden habe. Auch wenn das für Manche übertrieben klingen mag, so waren dies meine Gefühle an jenem Tag und meine Weggefährten machten ähnliche Erfahrungen, wie ich in späteren Gesprächen herausfand. Auch an ein Aufhören hab ich in diesen Momenten gedacht, auch wenn dieses Gefühl schon am nächsten Tag verflog. Gelernt habe ich daraus, dass man nie voreilige endgültige Entscheidungen treffen sollte, wenn es Mal nicht so läuft, wie man es sich erträumt hat. Nach etwas Ruhe sah die Welt am nächsten Morgen schon wieder ganz anders aus.
Tag 10
14. Januar 2023
14 km
Nach dem Aufwachen wurde mir direkt bewusst, wie sehr ich am gestrigen Tag meinen Körper gefordert hatte. Denn so kraftlos fühlte ich mich schon lange nicht mehr. Es dauerte seine Zeit, bis ich alles zusammengepackt hatte und loswandern konnte. All das geschah unter der genauen Beobachtung von ein paar Bergziegen, die an der Hütte weideten. Nachdem ich ihnen Lebewohl gesagt hatte, schleppte ich mich durch einen verwunschenen Märchenwald, es hätte mich nicht verwundert, wenn mir auf einmal Rotkäppchen oder der böse Wolf entgegengekommen wären. Der Nebel lag tief im neuseeländischen Urwald und die Flechten an den Bäumen versetzten mich in eine real gewordene Erzählung der Gebrüder Grimm. Als der Weg wieder bergauf ging und alsbald die Baumgrenze überschritt, verzog sich auch der Nebel. Damit kam ich wieder in den Genuss meiner geliebten Kammwanderung mit Ausblick. Die Anstrengungen, Sorgen und Zweifel des gestrigen Tages waren verflogen. Am höchsten Punkt des Tages „Purple Top“ (1532 m) trocknete ich mein Zelt und verbrachte die Wartezeit mit einem netten Paar aus Antwerpen, Jef und Ingrid. Es sollte nicht die letzte Begegnung mit den Beiden sein. Nach einem Mittagsessen mit unglaublicher Aussicht ging es wieder bergab durch den Märchenwald an einen kleinen See mit einer Hütte. Da ich aber noch nicht weit gekommen war und meine Vorräte nicht für solch kurze Tage reichten, ging es weiter. Der steile und rutschige Abstieg auf 400 m über Moos und Wurzeln verbrauchte meine letzten Energiereserven. Sehr froh war ich als ich die nächste Hütte erreichte und ein Zeltplatz noch für mich frei war. Hier genoss ich noch ein Bad im Fluss und ein Gespräch mit einer jungen Neuseeländerin Rachel. Diese musste leider aufgrund von Rückenschmerzen durch mehrere Stürze am nächsten Tag ihre Wanderung abbrechen. Das diese Entscheidung nicht nur kurzfristig, sondern leider vorerst endgültig war, erfuhr ich erst zu einem späteren Zeitpunkt.
Tag 11
15. Januar 2023
17 km
Wieder einmal verließ ich als Letzter das Camp. Der erste Abschnitt des Tages war geprägt vom „Wairoa River“, dem man flussaufwärts folgte. Dabei ging es für mich sehr langsam voran. Der Pfad war oft ausgewaschen oder gar komplett weggespült. An einigen Stellen war es sogar sicherer direkt im Fluss weiterzulaufen. Da dieser aber einige kleinere Wasserfälle und Stromschnellen beinhaltete, lief ich meistens doch den sehr beschwerlichen offiziellen Weg. Über viele umgestürzte Bäume bzw. um sie herum ging es durchs Unterholz. Auf diese Weise benötigte ich für die ersten 7 Kilometer auch ungefähr 5 ½ Stunden. An der Hütte „Top Wairoa“, bei welcher man den Flusslauf verlässt, dachte ich darüber nach hier zu übernachten. Meine Zuneige gehenden Vorräte und der eigene Ehrgeiz, nicht einen ganzen Tag nur 7 km zu schaffen, trieben mich aber weiter. Erst 600 Höhenmeter über große Gesteinsblöcke hinauf zum Berghang des „Mount Ellis“ und dann etwas entspannter wieder bergab zur „Hunter Hut“. Die Landschaft wechselte dabei schlagartig. Ich begann in der Nähe der „Red Hills“ und das Gestein unter mir war dafür bezeichnenden, so rot wie ich es bereits aus Australien kannte. Der Untergrund ging dann über ein dreckiges Gelb hin zum Grau und die umliegenden Felsformationen wurden schroffer. Das erste mal fühlte ich mich, als wäre ich in einem „Herr der Ringe“-Film gelandet. Beim Abstieg wurde es schon langsam sehr spät und ich begann mit der Suche nach einem Schlafplatz weit vor der nächsten Hütte. Da ich im offenen Gelände aber wenig Schutz vor dem Wind fand, blieb mir nur der Weg weiter ins Tal. Dort angekommen, mit einer letzten Flussüberquerung und knackigem Aufstieg am Ende, konnte ich doch noch einen geeigneten Zeltplatz finden. Es war bereits halb 11 und stockfinster als ich alles fertig hatte und einschlafen konnte.
Tag 12
16. Januar 2023
18 km
Wer spät einschläft, steht auch spät auf. Vor allem wenn man keinen Wecker und keinen Zeitdruck hat. Als ich mich dann doch aufraffen konnte, ging es zunächst wieder über große Felsblöcke. Nach kurzer Zeit wurde der Weg aber besser und schlängelte sich entlang der Hänge oder folgte den ausgewaschenen Flussbetten. Für mich als Mitteleuropäer auch eine neue Erfahrung, denn die Flüsse sind hier viel weniger kontrolliert und bilden somit oft sehr breite Kiesgräben, in denen sie fließen. Dabei ändert sich die Wassermenge und der genaue Flusslauf ständig. Das führt dazu, dass der Weg teilweise weggespült ist oder neue Hindernisse auftauchen, vor allem nach der Schneeschmelze im Frühling. So stand ich auch an diesem Tag vor einer großen Klippe und konnte nur ungläubig die Markierung anstarren, die gut 6 Meter über mir hing. An diesem Punkt war ich mal wieder froh mein Handy dabei zu haben und eine Navigations-App zu benutzen, in der andere Wanderer Kommentare hinterlassen können. Mithilfe derer konnte ich einen, für mich machbaren, Weg finden, auch wenn dieser trotzdem noch mit viel Anstrengung und klettern verbunden war. Aber immerhin besser als eine senkrechte, sandige Wand hinaufzuklettern. Ansonsten verlief der Weg recht unspektakulär, bot aber gegen Abend immer wieder schöne Ausblicke in das Tal, aus dem ich jetzt langsam hinausstieg. Natürlich war ich auch heute wieder der Letzte an der Hütte und durfte mein Zelt aufstellen. Aber glücklicherweise habe ich alles Nötige auf dem Rücken und die Hütten sind nur ein Bonus oder sogar der einzige Luxus, den ich aktuell habe.
Tag 13
17. Januar 2023
22 km
Das einzige Ziel des Tages war das Zurückkommen in die Zivilisation. In dem Fall in Form von Saint Arnaud, einem kleinen abgelegenen Dorf, dass aber durch seine Lage recht touristisch ist und somit einiges an Infrastruktur beheimatet. Bevor ich aber in den Genuss von frischem Essen und einer Dusche kam, mussten noch ein paar Kilometer gelaufen werden. So ging es auf dem Maitland Ridge Track 400 Höhenmeter hinauf, nur um dann direkt wieder 600 Höhenmeter hinunterzulaufen. Nach 13 Kilometern erreichte ich den Highway 63 nach Saint Arnaud. Dort traf ich auch einige andere Mitwanderer, die dort schon versuchten per Anhalter ins Dorf zu kommen. Dies funktionierte leider sehr schlecht, wodurch ich mich entschied, einfach die paar Kilometer zu laufen. Leider bekam das meinen Füssen gar nicht gut und ich hatte am Tag danach das erste Mal Schmerzen. Daran sieht man, dass der menschliche Körper einfach nicht für Asphalt und Beton gemacht ist. Aber halb so schlimm, ich hatte ja sowieso einen Pausentag eingeplant.
Tag 14
18. Januar 2023
0 km
Pausentag in Saint Arnaud. Diesen Ruhetag benötigte vor allem mein Körper dringend. Ich hatte die letzte Etappe durch die Richmonds deutlich unterschätzt und war an meine physischen und mentalen Grenzen gekommen. Für Entspannung sorgte die ruhige Atmosphäre des Ortes, das gute Essen und der Blick auf die majestätischen Gipfel hinter dem Lake Rotoiti. Nebenbei musste ich mich auch wieder auf die nächste Etappe vorbereiten, das beinhaltete auch die Abholung meines ersten Paketes im örtlichen Hotel. Zu meiner Erleichterung war Dieses dort schon angekommen und ich konnte es vollständig in Empfang nehmen. Das muss jetzt nur noch zwei weitere Male funktionieren.
Kommentar schreiben